13.Dez.2022

LEA Leseklub

LEA-Leseklub Gunzenhausen gehört zu den Pionieren in Bayern – Lesen im Café – das ist eigentlich nichts Besonderes.

Wenn sich aber der LEA-Leseklub im Café Lebenskunst trifft, wenn in den zwei Lesegruppen abwechseln vorgelesen wird, dann ist das aber doch die spektakuläre Erfolgsgeschichte eines von der Lebenshilfe Gunzenhausen mit initiierten Konzepts: Menschen mit Behinderung und ohne Behinderung, die Spaß an Büchern und Geschichten haben, teilen ihr gemeinsames Hobby – das Lesen.


Wir treffen uns jeden Dienstag von 17 bis 18 Uhr, im Café LebensKunst.

Neue Teilnehmer sind herzlichst willkommen.

LEA – das heißt: Lesen einmal anders.
Wie das mit dem gemeinsamen Lesen funktioniert, erläutert Gertraud Späth, die mit viel Energie und der Unterstützung vom Vorsitzenden der Lebenshilfe Gunzenhausen Thomas Thill die Gruppe ins Leben gerufen hat: „Wichtig ist, dass alles ohne Druck geschieht.“ In der Runde wird abwechselnd vorgelesen, wobei jeder Vorleser zur Unterstützung einen Mitleser zur Seite hat. Die ehrenamtlichen Mitleser beobachten während des Lesens die Runde und erklären schwierige Wörter, wiederholen die Namen und die Bedeutung neu eingeführter Figuren und gehen auf Wendepunkte in der Geschichte im Gespräch nochmals ein.
Sechsmal hat sich der Leseklub bereits getroffen und eine der beiden Lesegruppen hat sich schon das zweite Buch vorgenommen. Um den Einstieg in die Geschichte zu finden, wird erzählt, was bisher geschehen ist: In „Und das nennt ihr Mut“ von Inge Meyer-Dietrich wird von Andi berichtet, der sich einer kriminellen Jugendgruppe, den „Sharks“, angeschlossen hat. Als er bei der Mutprobe kneift, hat er plötzlich die Gruppe gegen sich und wird bedroht.
In der Schule hat Andi Angst: Wird er den gewalttätigen Gangmitgliedern in der Pause aus dem Weg gehen können? Die erste Vorleserin kann sich gut in Andis Lage hineinversetzen und alle lauschen gespannt. Bei der zweiten Leserin wird das Echo-Lesen probiert: Satz für Satz liest die Mitleserin vor und die Leserin wiederholt, ehe sie dann doch lieber gleich selber vorliest. Ein bisschen Stolz ist die Runde nun: Angst vor dem Vorlesen, Angst davor, einen Fehler zu machen, hat hier niemand. Dies merkt man auch bei der dritten Vorleserin, die die Lacher auf ihrer Seite hat, als sie zögert, vorzulesen, dass Andi sich auf dem „stinkigen Schulklo“ versteckt.
Gertraud Späth und die Mitleserinnen Barbara Bauer , Jutta Degenhardt, Christel Meckel und Elisabeth Wittmann wollen den LEA-Leseklub auf keinen Fall in einem stillen Kämmerchen verstecken: Wichtig ist, dass im öffentlichen Café gelesen wird, Behinderte und Nicht-Behinderte ihr Leseerlebnis teilen. Inklusion, die gleichberechtigte Beteiligung aller Menschen an gesellschaftlichen Prozessen in allen Lebensbereichen, ist eine Zielsetzung des Leseklubs.

Dem Vorurteil, dass Menschen mit geistiger Behinderung nicht lesen können und nicht lesen wollen, möchte die Gruppe im Café Lebenskunst entgegentreten. Und andere Gäste, die sich während der wöchentlichen Lesestunde im Café aufhalten, können live miterleben, dass die Klubmitglieder mit Freude bei der Sache sind. „Alleine habe ich nie gelesen, aber hier macht es wirklich Spaß!“, sagt eine der Klubmitglieder. Und sie gerät ins Schwärmen, wie gut ihr das erste Buch „Total verknallt!“ gefallen habe.
Auch die beiden Leser der zweiten Gruppe haben allein bisher wenig gelesen, doch ihr Buch „Du bist doch nur noch zugekifft“ hat sie total gepackt. Die Geschichte von Jans Drogenproblemen ist in einfacher Sprache geschrieben, aber eben keine Kindergeschichte, sondern für Jugendliche und junge Erwachsene geschrieben. Ausgesucht haben sich die LEA-Leseklub-Lektüren aus einer Auswahl, die die Stadt- und Schulbücherei zusammengestellt hat.
Die Gruppe in Gunzenhausen ist natürlich nicht allein. Auf Initiative des Vereins zur Förderung von Kultur, Bildung und sozialer Teilhabe von Menschen mit Behinderung (KuBus e.V.) entstehen in ganz Deutschland LEA-Leseklubs. Derzeit gibt es 20 aktive Klubs, viele mehr befinden sich im Aufbau. In Bayern sind aktive Leseklubs in Gunzenhausen, Weißenburg und Hersbruck zu finden. Gertraud Späth hat während eines LEA-Leseseminars das Rüstzeug zur Anleitung der Lesegruppen erworben. Drei Jahre lang fördert die Aktion Mensch das Inklusionsprojekt.
In Gunzenhausen scheint das Konzept mit den drei Standbeinen Lesefreude, Sozialkontakte und Erfahrungen im öffentlichen Raum aufzugehen. Jederzeit können neue Menschen einsteigen, die das Lesen für sich entdeckten wollen. Die beste Werbung für LEA machen die bisherigen Klubmitglieder: Nach dem Vorlesen schauen sie selbstbewusst in die Runde, zufrieden den anderen etwas geboten zu haben. Alle Leser haben einen vollen Arbeitstag hinter sich und machen sich dann nochmal auf zum Klubtreffen. Auch wenn es ein bisschen Mühe macht, sich die Welt der Bücher und Geschichten zu erobern – es macht Spaß!
Babett Guthmann

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